10.02.2022

Erich-Brost-Institut der TU Dortmund setzt medienpolitische Akzente in Polen

Hochkarätiger Dialog zur Einrichtung eines unabhängigen Presserates in Warschau

Photocredit: Dagmara Sidyk-Furman

Bereits seit 2020 fördert das Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus (EBI) der TU Dortmund – aus Mitteln der ZEIT-Stiftung, und in enger Kooperation mit den Partner- Universitäten Warschau und Breslau - erfolgreich hochkarätige Dialogformate in Polen zum Thema Medienselbstkontrolle und Medienverantwortung. Ende Januar dieses Jahres gelang es dem EBI, Vertreter führender polnischer Medien, der größten polnischen und internationalen Journalisten-Verbände sowie lokaler Presseverlagsverbände und medienpolitischer Institutionen an einen Tisch in Warschau zu bringen. Ziel der Dialogveranstaltung war es, Brücken zwischen diesen Akteuren zu bauen und die Gründung eines unabhängigen Presserates auf nationaler Ebene - hinter dem idealerweise alle journalistischen Verbände und Herausgeber stehen sollten – voranzutreiben. 

Polen ist seit 2004 Mitglied der EU. Seit 1990 wurden im einst sozialistischen Polen, nach Fall des Kommunismus, sukzessive private Medien eingeführt und die Medienlegislative dem internationalen Standard angeglichen. Die Entwicklung der Medienlandschaft war vielversprechend. Inzwischen erfährt das Land jedoch eine starke politisch motivierte Polarisierung der Medien, die zunehmend von der rechtskonservativen Regierung kontrolliert werden. Staatliche Werbung beispielsweise unterstützt oftmals nur Medien, die parteipolitisch auf Linie sind. Oppositionsmedien werden nicht unterstützt, sondern im Gegenteil öffentlich als „nicht staatskonform“ angeprangert. Der öffentlich-rechtliche Sektor erhält zusätzlich zu Rundfunkgebühreneinnahmen auch staatliche Mittel seitens der Regierung, was zu heftiger öffentlicher Kritik der Zivilbevölkerung und der Medien hinsichtlich politischer Einflussnahme gerade im Präsidentschaftswahljahr 2020 geführt hat. In 2021 ist in Polen ein umstrittenes Mediengesetz beschlossen worden, das nicht-europäischen Firmen eine Mehrheitsbeteiligung an Rundfunksendern verbietet. Als Konsequenz wurde dem regierungskritischen Sender TVN (US Discovery Group) die Sendelizenz entzogen. Die EU Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova kritisiert diese negativen Tendenzen und weist auf eine für die gesamte EU geltende Verpflichtung zur Pressefreiheit, um die Medienfreiheit und die Rechtsstaatlichkeit zu schützen. Zunehmende Gerichtsprozesse gegen Journalisten und Medien und ein fehlender unabhängig funktionierender Presserat auf nationaler Ebene in Polen tragen zu einer verminderten Presse- und Medienfreiheit bei.

Beata Chmiel, die Initiatorin des zivilen Paktes für öffentlich-rechtliche Medien in Polen fasste die Problematik wie folgt zusammen: „We need a joint national Code of Conduct, which is supported by all journalistic associations and media publishers as well as a national unity as important part of the media democratic process“. Urška Umek, zuständige Leiterin der Medienabteilung beim Europarat, stellt neueste Regularien des Europarates zur Steuerung von Kommunikation und Medien im Sinne guter Regierungsführung vor und erklärt: “Self-regulation provides a lot of clarity by ist complaint system, which the legal side cannot fullfil.“ Mirosław Wróblewski vom Büro des Menschenrechtsbeauftragten in Polen bestätigt diese Aussage, denn die Beschwerden von Bürgern beim Menschenrechtsbeauftragten zum Thema Medien sind in den letzten Jahren sehr deutlich angestiegen. Im Normalfall könnten solche Beschwerden an einen nationalen unabhängigen Presserat weitergeleitet werden.

Pamela Morinière, Leiterin der Kommunikation bei der International Federation of Journalists, unterstrich die Wichtigkeit von effektiver wie auch unabhängiger Selbstregulierung - und dass Presseräte auf Freiwilligkeit, nicht auf Politisierung beruhen sollten. Namhafte Medienvertreter aus Polen diskutierten einerseits die Frage nach der Zukunft der Medien in Polen und die Risiken für deren Entwicklung - und andererseits, inwiefern ein unabhängiger Presserat Abhilfe zu verschaffen vermag. Bogusław Chrabota, Chefredakteur der Zeitung Reczpospolita und Vize-Präsident der European Newspaper Publishers` Association, stellte insbesondere heraus, dass Medienfreiheit auch an die Entwicklung des Medienmarktes gekoppelt ist. Manfred Protze, Mitglied des Deutschen Pressrates, verdeutlichte, dass Gesellschaft und Medien kritische Beobachter der Regierung und mit ihrem Beschwerde-Mechanismus ein wichtiges Element von demokratischer Entwicklung sind. 

Erstmalig nahmen am Dialog auch Vertreter des lokalen Presseverlagsverbandes SGL in Polen teil: Marta Ringart-Orłowska, Mitglied des Verlagsvorstandes, stellte dar, wie polarisierend Medien in Polen inzwischen berichten, und dass es dennoch auch im Rahmen der SGL Gruppe einen wichtigen Austausch und Dialog zwischen den Beteiligten gibt. SGL ist ein Verlagsverband auf nationaler Ebene für lokale Zeitungen, der auch Trainings für Journalisten anbietet. Sie bekräftigte: „Es ist die Sache wert, einen gemeinsamen Dialog zu führen, um die Freiheit der Medien in Polen zu verbessern – unabhängige Selbstregulierung kann hier eine sehr gute Option sein“. Dr. Damian Flisak, Pressesprecher von Ringier Axel Springer Polska, stellte heraus, dass auch der von der EU-Kommission kürzlich ratifizierte Digital Services Act für die Medien Polens ohne einen unabhängig funktionierenden Presserat große Herausforderungen mit sich bringen werden. Marek Frąckowiak, Präsident der Polnischen Presseverlagskammer, resümierte, dass ein fehlender Presserat ein gemeinsames Problem aller Medienhäuser in Polen ist, und man erwägen sollte, in den Aufbau eines neuen unabhängigen Presserates bereits existierende Mechanismen wie den Council of Media Ethics, die Media Ethics Charter, den ethischen Rat sowie auch den Kodex für Werbung, vor allem aber Journalisten und Herausgeber einzubeziehen. Richard Bańkowicz, der Präsident des polnischen Council of Media Ethics, bot den Council als Plattform an: „Unabhängige Selbstregulierung der Medien ist wichtig und die journalistischen Verbände sollten ein geschlossener Teil dieser sein. Der Council of Media Ethics kann reaktiviert werden und diese Rolle einer unabhängigen Institution übernehmen“. 

Prof. UW, Dr. hab. Michał Głowacki (Faculty of Journalism, University of Warsaw), Dr. hab. Adam Szynol (Institute of Journalism and Social Communication, University of Wrocław) und Dr. Michal Kuś (Institute of Political Science, University of Wrocław) stellten heraus, dass Medienselbstregulierung von unschätzbaren Wert ist und die Diskussion gezeigt habe, dass es von allen Beteiligten des Warschauer Dialogs den Wunsch nach einem Format der unabhängigen Selbstregulierung in Polen gibt. In einem von Isabella Kurkowski (EBI), angeregten Wahlverfahren haben sich alle Teilnehmer der Veranstaltung geschlossen dafür ausgesprochen, eine Arbeitsgruppe „Unabhängige Selbstregulierung“ einzurichten. Adrien Collin von der European Federation of Journalists, der das EU-Projekt „Media Councils in the digital age“ während der Veranstaltung vorstellte, bot Unterstützung bei künftigen Aktivitäten zum Aufbau des Presserates in Polen im Rahmen des Projektes an. Prof. Dr. Susanne Fengler betonte: “Forschung und Lehre sind unabdingbare Komponenten, die bei der Umsetzung zum Aufbau von Selbstregulierungsinstitutionen auch auf sehr pragmatische Weise unterstützen können. Das Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus ist seit 2010 im Bereich Media Accountability tätig und hat jetzt ganz aktuell das Global Handbook of Media Accountability publiziert, welches in insgesamt 44 Ländern Konzepte der Medienverantwortung komparativ vergleicht.“

Kontakt:

Prof. Dr. Susanne Fengler: susanne.fenger(at)tu-dortmund.de
Isabella Kurkowski: isabella.kurkowski(at)tu-dortmund.de